Bei der Inventur wird das Vermögen eines Unternehmens zu einem Stichtag bestimmt; so werden Vermögensgegenstände und Schulden konkret nachgewiesen. Eine solche Bestandsaufnahme bildet die Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung.

Die Inventur ist eine wichtige Grundlage für den Jahresabschluss eines Unternehmens, daher findet die Inventur in der Regel zum Ende eines Geschäftsjahres statt. Auch bei Beginn oder Ende einer gewerblichen Tätigkeit oder bei einer Umfirmierung schreibt das Handelsgesetzbuch eine Inventur vor.

Wichtig: In der Regel dient für eine intralogistische Bestandsaufnahme das Lagerverwaltungssystem beziehungsweise die dort integrierte Bestandsverwaltung als Hilfsmittel; die monetäre Bewertung der auf Basis der Inventur ermittelten Bestände erfolgt meist im ERP-System.

Die Inventur dient der Selbstkontrolle des Unternehmens und sorgt für einen gewissen Gläubigerschutz; darüber hinaus stellt sie eine Kontrollfunktion zur Buchführung dar, da die Bestände unabhängig von ihr verzeichnet werden. Deshalb unterliegt eine ordnungsgemäße Inventur auch bestimmten Grundsätzen, wozu insbesondere die folgenden gehören:

  • die Bilanzwahrheit (vollständige Bestandsaufnahme)
  • die Richtigkeit (korrekte Bestandsaufnahme)
  • die Stetigkeit (regelmäßige Zählungen)
  • die Bilanzklarheit (Nachprüfbarkeit der Bestandsaufnahme)
  • die Einzelerfassung bei der Bestandsaufnahme

Werden diese Grundsätze nicht eingehalten, dann ist dementsprechend die Buchführung nicht ordnungsgemäß geführt und die darauf aufbauende Bilanzierung nichtig.

Inventurgegenstände

Körperlich vorhandene Vermögensgegenstände werden bei der Inventur gezählt, gemessen oder gewogen. Immaterielle Vermögensgegenstände werden dagegen durch eine Buchinventur (Saldenlisten) nachgewiesen. Betriebsgebäude oder beispielsweise saisonabhängige Waren unterliegen wiederum einem Wertverfall; bei solchen Vermögensgegenständen werden im Zuge der Inventur Abschreibungen vorgenommen. Während dieser Bestandsaufnahme werden die Vermögensgegenstände mit den aufgelaufenen Buchungen abgeglichen. Gibt es eine Abweichung (Inventurdifferenz) zwischen dem Soll- und dem Ist-Bestand, gilt der festgestellte Bestand als korrekt. Die erwähnten Inventurdifferenzen müssen somit nachträglich in der Buchhaltung korrigiert werden. Die Differenzen verändern somit mittels einer Gewinn- und Verlust-Rechnung das Betriebsergebnis.

Inventur in der Intralogistik

Um entsprechend der Grundsätze eine ordnungsgemäße Inventur durchzuführen, müssen unternehmensinterne organisatorische Richtlinien festgelegt werden, die die Ablauf-, Raum-, Termin- und Personalplanung sowie die Dokumentation umfassen. In der Intralogistik zählen zu den gängigsten Arten der Inventur die Stichtagsinventur, die permanente Inventur und die zeitversetzte Inventur.

Stichtagsinventur

Bei der Stichtagsinventur werden die Bestände, wie vom Handelsgesetzbuch gefordert, mengenmäßig zu einem festgelegten Tag zum Ende des Geschäftsjahres erfasst. Diese Inventur soll zeitnah zum Bilanzstichtag erfolgen. Ein zeitlicher Versatz der Zählung von zehn Tagen vor und zehn Tagen nach diesem Termin ist möglich. Alle Bestandsänderungen innerhalb dieses Zeitraums müssen dann auf den Stichtag vor- beziehungsweise zurückgerechnet werden.

Vorteil: Die ermittelten Bestände und Werte können einem Bilanzstichtag beziehungsweise einer klaren Periode nahe dem Bilanzstichtag zugeordnet werden.

Nachteil: Mit dem Bilanzstichtag ist eine Betriebsunterbrechung zur Durchführung der Inventur notwendig. Zudem wird ein hoher Personaleinsatz benötigt.

Permanente Inventur

Bei der permanenten Inventur werden die Bestände und alle Zu- und Abgänge kontinuierlich über das laufende Geschäftsjahr erfasst und dokumentiert. Die Mengen und Erfassungsdaten werden in einem Lagerbuch (heute oft in Form eines Warenwirtschaftssystems) geführt. Während in älteren Lagern für die wirtschaftliche Bewertung der Lagerbestände einmal jährlich eine Komplettaufnahme aller Artikelbestände erforderlich war (siehe Stichtagsinventur), ist in modernen Lagern die permanente Inventur die Regel. Jede im Normalablauf ohnehin stattfindende Zählung wird als Inventurzählung behandelt. Dabei müssen nur noch Zählungen für diejenigen Paletten angestoßen werden, deren letzte Zählung bis zum Inventurstichtag länger als ein Jahr zurück liegen. Vorausgesetzt, das eingesetzte Lagerverwaltungssystem unterstützt dieses. In der Regel wird eine solche Zählung über die lagertechnische Bestandsverwaltung abgewickelt.

Vorteil: Es ist keine Arbeitsanhäufung und Betriebsunterbrechung zur Durchführung der Inventur notwendig. Erwähnenswert: Die permanente Inventur ist weniger aufwändig, da die inventurrelevanten Prüfungen beispielsweise im Kommissionier-Prozess (siehe auch Kommissionierung) mit abgewickelt werden – elektronischer Abgleich mit der Bestandsverwaltung.

Nachteil: Um eine permanente Inventur zu gewährleisten, ist eine ordnungsgemäße Lagerbuchhaltung von Nöten.

Zeitversetzte Inventur

Bei der zeitversetzten Inventur (verlegte Inventur) kann der zeitliche Versatz der Erfassung bis zu drei Monate vor oder zwei Monate nach dem Bilanzstichtag erfolgen. Diese Art der Inventur wird allerdings in der Praxis kaum angewandt.

Vorteil: Der Betreiber eines Distributionszentrums hat beispielsweise freie Wahl beim Inventurzeitpunktes. Er kann diese demnach ausführlich planen und Zählungen etwa außerhalb der eigentlichen Lagerhochlasten ansetzen. Ein anderer Punkt tangiert die Inventurdifferenzen; sie können in der Regel in Ruhe gefunden, analysiert und gegebenenfalls beseitigt werde.

Nachteil: Bei einer Zeitspanne der Erfassung von bis zu drei Monaten bedeutet diese Rechnung zusätzlichen Aufwand und stellt eine mögliche Fehlerquelle dar. Zudem ist diese Art der Inventur bei wertvollen Gegenständen nicht erlaubt. Auf verderbliche Waren oder Produkte mit Schwund darf ebenfalls diese Art der Inventur nicht greifen.

Stichprobeninventur

Eine weitere und geläufige Art der Inventur ist die Stichprobeninventur; seit 1977 ist die Durchführung einer Stichprobeninventur rechtmäßig. Demnach ist es, gemäß dem HGB § 241, erlaubt, den Bestand von Vermögensgegenständen durch Stichproben, unter Beachtung folgender Bedingungen, zu ermitteln:

  • Anerkannte mathematisch-statistische Methoden müssen genutzt werden.
  • Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung müssen eingehalten werden.
  • Die Stichprobeninventur muss über die gleiche Aussagekraft verfügen, wie beispielsweise die herkömmlichen Inventur-Methoden (Zählen, Messen, Wiegen).

Die oben aufgeführten Grundsätze werden bei der Stichprobeninventur um einen Punkt erweitert beziehungsweise konkretisiert:

  • Bei der körperlichen Bestandsaufnahme ist vorgesehen, dass drei bis fünf Prozent der wertvollsten Lagerelemente aufgenommen werden sollen, um 45 – 50 Prozent des Gesamtwerts erfassen zu können.

Sonderfall: der Sequenzialtest bei automatischem Lager

Wird eine Inventur innerhalb eines automatischen Lagers angesetzt, also dort, wo angenommen werden kann, dass eine hohe Bestandsgenauigkeit vorliegt, eignet sich ein sogenannter Sequenzialtest. Dieser bestimmt grundsätzlich keinen Gesamtwert des jeweiligen Lagers; vielmehr wird geprüft, ob der Fehlanteil annehmbar ist. Dabei können entweder quantitative (heterograde) oder qualitative (homograde) Merkmale herangezogen werden. Ein homograder und ein heterograder Sequenzialtest unterscheiden sich darin, dass beim homograden Sequenzialtest lediglich die Menge relevant ist; beim heterograden Sequenzialtest wird zur Menge zusätzlich der Differenzwert berücksichtigt*. Letzteres ist allerdings innerhalb der Lagerverwaltung unerheblich, da dort nur der Bestände verwaltet werden und nicht die einzelnen Werte.

Für die Ziehung von Stichproben gilt die Voraussetzung, dass einzelne Einheiten, wie Erzeugnisse, zufallsgesteuert aus Elementen, wie Lagerpositionen, ausgewählt werden. Die einzelnen Lagerpositionen müssen dabei allerdings innerhalb einer Grundgesamtheit genau voneinander abgegrenzt werden können. Dabei unterscheidet man eine uneingeschränkte Zufallsstichprobe und eine einfache Zufallsstichprobe.

  • Bei der uneingeschränkten Zufallsstichprobe gilt für jede Lagerposition die gleiche Wahrscheinlichkeit, um in die Stichprobenauswahl zu gelangen. Elemente werden gezogen, ohne zurückgelegt zu werden.
  • Bei der einfachen Zufallsstichprobe gilt für jede Lagerposition zusätzlich, dass die gleiche Wahrscheinlichkeit vorherrscht, um in die Stichprobenauswahl zu gelangen, eine unabhängige Ziehung aus der Grundgesamtheit. Das heißt, dass die Elemente gezogen und anschließend wieder zurückgelegt werden.

Wichtig: Zum einen muss bei einem Sequenzialtest die allgemeine Lagerbuchführung auf dieses Inventurverfahren abgestimmt sein, zum anderen bedarf das Verfahren einer amtlichen Freigabe des zuständigen Finanzamtes beziehungsweise des zuständigen Wirtschaftsprüfers.

Mathematische Grundlagen der Stichprobeninventur

Für die Nutzung anerkannter mathematisch-statistischer Methoden sind zwei Verfahren denkbar:

  • die freien Mittelwertverfahren – dabei handelt es sich um Verfahren, die unterschiedliche Methoden zur Unternehmensbewertung vorhalten. Über die verschiedenen Methoden werden der Ertragswert sowie der Substanzwert ermittelt. Dabei stellt der Ertragswert grundsätzlich den eigentlichen Unternehmenswert dar; dieser ist allerdings wegen seiner zum Teil unsicheren Faktoren nicht hundertprozentig für eine korrekte Bewertung geeignet. Deshalb fließt der Substanzwert, also die materielle Substanz des Unternehmens, mit in die Bewertung mit ein. Am Ende steht eine Kennzahl, die je nach Branche, Unternehmensgröße und Bestehen variiert. Mögliche Ansätze/Methoden sind das Berliner Verfahren, das Schweizer Verfahren und das Stuttgarter Verfahren.
  • die gebundenen Verfahren – bei diesen Verfahrensarten werden Unternehmensbewertungen angestrebt, die einer Vorgabe von Merkmalen untergeordnet sind. Ein solches Verfahren versucht eine Hochrechnung beziehungsweise einen geschätzten Mittelwert zur Verfügung zu stellen; wobei die Abweichungen zwischen den Stichprobenergebnissen und den Lagerbuchwerten im Zuge einer Gegenüberstellung (Mittelung/Vergleich) mit folgenden Schätzungen erfolgt: Differenzschätzungen, Verhältnisschätzungen und Regressionsschätzungen. Am Ende ergibt die Kennzahl die sogenannte Gesamtabweichung. Differenzschätzungen sind dabei die am einfachsten durchzuführenden Methoden, bei denen Differenzen zwischen Ist- und Sollbestand ermittelt werden.

Bei beiden Verfahren wird in einer Zufallsstichprobe die Ausgangshypothese (Nullhypothese, wird auch als H0 bezeichnet) gegen die, als Kontrast geltende, Alternativhypothese (wird auch als H1 bezeichnet) geprüft.

Beispiel:

  • Ausgangshypothese = „Lagerbuchführung ist bestandszuverlässig“
  • Alternativhypothese = „Lagerbuchführung ist nicht bestandszuverlässig“

Die Bestandszuverlässigkeit ist zu gering, wenn die Ist-Werte von den Buch-Werten zu stark abweichen. Die Inventur muss in dem Fall, auch bei einem möglicherweise zulässigen Gesamtwert, komplett verworfen werden. In der Regel kommt es aber auf den Wirtschaftsprüfer sowie auf den jeweiligen Wert des Fehlenden an. Beispiel: Wird bei einer Bestandsprüfung ein Zählfehler bei Kopierpapier festgestellt; hat diese Fehlzählung eine andere Gewichtung, als wenn die Fehlzählung bei hochpreisigen Produkten festgestellt wird. In jedem Fall wird bei einer Prüfung die Bestandsmenge mit einer Null-Toleranz-Grenze abgeglichen.

Zusammenfassung Inventur

Die Inventur ist handelsrechtlich eine körperliche Bestandsaufnahme mittels derer Art und Menge von Vermögensgegenständen und Schulden zu einem konkreten Stichtag verzeichnet werden. Dies geschieht in der Regel durch eine Stichtagsinventur, eine permanente oder zeitversetzte Inventur oder durch eine Stichprobeninventur. Dabei müssen bestimmte Grundsätze eingehalten werden, damit Bilanzierung und Buchhaltung entsprechend ordnungsgemäß sind.

*Quelle: Vahlens großes Auditing-Lexikon, Seite 638, ‚Homograde Stichprobe‘.

Weitere Informationen zum Thema Inventur finden Sie auch unter Lagerhaltungskosten sowie unter Bestandskosten.

Teaserbild: Monkey Business – Fotolia.com

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