Augmented Reality (AR) steht für die computergestützte Erweiterung der menschlichen Realitätswahrnehmung. Die reale und virtuelle Welt verschmelzen technisch betrachtet miteinander. Der Vorteil: Durch den Einsatz von Kameras, Sensoren und hochauflösenden Displays, die heutzutage auch in handelsüblichen Smartphones verbaut sind, können dem Anwender virtuelle Aspekte (Textbausteine, Zusatzinformationen als Bild, Videos) zu realen Situationen eingeblendet werden. In der Intralogistik kommt AR beispielsweise bei der Kommissionier-Art Pick-by-Vision zum Einsatz, bei der die AR-Informationen mittels Datenbrille bereitgestellt werden.

Die ersten Gehversuche, dem Nutzer visuelle Informationen zusätzlich zur realen Welt zur Verfügung zu stellen, machte der Elektroingenieur Ivan Sutherland im Jahr 1968. Er entwickelte eine Art Datenbrille, die allerdings zwingend mit einem damals noch raumfüllenden Computer gekoppelt sein musste. Die Brille projizierte einfache digitale Muster auf das Auge des Trägers. Die Entwicklung der Technologie kam damals nur schleppend voran, auch weil es keinerlei praktische Anwendungen gab. In den 1990er Jahren änderte sich das, als Tom Caudell und David Mizell eine der ersten kommerziellen Augmented-Reality-Anwendungen für die Firma Boeing vorstellten.

Augmented Reality findet mittlerweile in vielen Bereichen Anwendung. Dabei sind Lösungen aus Gaming, Navigation und Tourismus (Städteführung) gute Praxisbeispiele, die vor allem für die breite Masse der Bevölkerung konzipiert sind.

Intralogistik, Produktion, Service

Egal ob Intralogistik, Produktion oder technischer Service: Immer mehr Augmented-Reality-Anwendungen sind mittlerweile in industriellen Prozessen integriert. Die Herausforderung dabei: In der Welt der Consumer-Electronics ist es kein Hindernis, das Smartphone oder Tablet in die Hand zu nehmen. In industriellen Umgebungen benötigt man dagegen beide Hände für die anstehende Arbeit; ein Grund, warum immer mehr Unternehmen auf spezielle und vor allem robuste Datenbrillen setzen. Die Steuerung dieser erfolgt in der Regel über Gesten-, Wisch- und Sprachbefehle. Außerdem ist die jeweilige Datenbrille mit einem Smartphone via Bluetooth gekoppelt.

Einsatzgebiete von Augmented Reality

AR in der Intralogistik

Augmented Reality findet besonders bei der Kommissionier-Art Pick-by-Vision Anwendung. Der Kommissionierer erhält während des Kommissionier-Vorgangs über seine Datenbrille Informationen angezeigt (Look-Around-System – siehe unterschiedliche Datenbrillen im Einsatz), die für das Picken entscheidend sind: zu entnehmende Ware (Bezeichnung, Artikelnummer), eineindeutige Koordinaten zu Stellplatz und Lagerfach, zu entnehmende Menge.

Aktuelle Datenbrillen, etwa die des Herstellers Vuzix (Test), sind zusätzlich mit einem Mini-Scanner-Modul ausgestattet. Der Nutzer aktiviert diesen mit einem Gesten-, Wisch- oder Sprachbefehl, auf den der Scanner automatisch das Sichtfeld des Nutzers scannt und so etwa einen Barcode erfasst. Die so erfassten Daten können über das integrierte WLAN-Modul direkt an das Lagerverwaltungssystem (WMS) beziehungsweise den Host weitergeleitet werden. Lassen es die internen Lagerprozesse und dazugehörige Hard- sowie Software zu, ist lokal eine Bestandsverwaltung in Echtzeit umsetzbar. Dieser Abgleich in Echtzeit ist allerdings auch mit klassischen MDE-Geräten möglich, die ebenfalls über moderne WLAN-Module verfügen.

Ebenfalls ist die Navigation innerhalb eines Distributionszentrums zu nennen. Sie erlaubt es, auch ungelerntes Personal zielgerichtet einzusetzen. Herausforderung: Die Navigation muss über lokale Positionierungspunkte realisiert werden. Satelliten-Systeme wie GPS, können über die baulichen Gegebenheiten (Metall, Holz, Beton) und inneren Einflüsse (Regale, Waren, Flüssigkeiten) an Genauigkeit verlieren. Zudem sind die lokalen Koordinaten (Lagerort, Lagerfach) nicht über das GPS-System abbildbar.

Weitere Vorteile AR

  • Hohe Qualität der Kommissionier-Genauigkeit durch selbsterklärende Visualisierung; Pickfehler werden automatisch reduziert.
  • Paralleles Anzeigen von verschiedenen Informationen möglich.
  • Leistungssteigerung durch Verringerung der Totzeit.

Nachteile:

  • Ältere Generation tut sich schwer mit neuer Technologie.
  • Energieversorgung – in der Regel muss ein dafür vorgesehenes Akku-Pack genutzt werden.
  • Brillenträger benötigen Sichtglas mit Stärke.
  • Gefahr durch gesundheitliche Beeinträchtigung bei intensiver AR-Nutzung (Schwindel, Kopfschmerzen).
  • Vorhandene Endgeräte sind nicht immer industrietauglich.
  • Technische Funktionalität: WLAN und Bluetooth können gemeinsam auf dem 2,4-Gigahertz-Band betrieben werden. Dieses verursacht allerdings Störungen bei der Bluetooth-Übertragung. Unterschiedliche Frequenzen (2,4- und 5-Gigahertz) schaffen Abhilfe.

AR-Datenbrillen: monokular und binokular

monokulare See-Through-Datenbrille

Die bekannteste See-Through-Datenbrille ist die Google Glass aus dem Jahr 2014. Bei ihr werden Informationen zunächst über einen in den Brillenbügel integrierten Projektor auf ein Prisma (Spiegel) projiziert. Das Prisma wiederum überträgt die zusätzlichen AR-Informationen auf die Netzhaut des Auges.

monokulare Look-Around-Datenbrille

In der Industrie kommen in der Regel sogenannte monokulare Look-Around-Datenbrillen zum Einsatz. Sie sind mit nur einem kleinen Display ausgestattet (kein Prisma) welches ausschließlich die benötigten Zusatzinformationen anzeigt. Das rechte Auge erfasst die reale Umwelt über herkömmliches Sichtglas (Das folgende Video zeigt auch ein Beispiel, der Videoschaltung – siehe ‘binokulare Datenbrillen’).

binokulare Datenbrillen

Bei Service- und Wartungsfällen kommen neben monokularen Systemen auch binokulare Datenbrillen zum Einsatz. Bei binokularen Endgeräten wird bei spezifischen Einsatzzwecken, wie etwa dem Remote Support, ein zuständiger Experte per Live Stream auf die Brille aufgeschaltet. Der Träger eines solchen Systems kann Maschinenbauteile im Detail betrachten und dabei Anleitungen aus dem Stream entnehmen.

Zusammenfassung

Die industriellen Segmente Logistik, Produktion und Service verschließen sich nicht vor der AR-Technologie und setzen vermehrt auf sogenannte Wearables, also am Körper getragene Geräte. Datenbrillen versprechen, meist in Verbindung mit Smartphone, Smartwatch oder Tablet, enormes Potenzial. So werden nachweislich einzelne Prozesse beschleunigt und Systemfehler schneller erkannt.

Bei der Nutzung von AR-Lösungen werden dem Anwender zusätzliche digitale Informationen, wie zum Beispiel Videos, Bilder und Textbausteine, auf das jeweilige Display projiziert. Diese ergänzenden Informationen ermöglichen es Anwendern sowohl spezifische, als auch alltägliche Abläufe optimiert und zeitsparend, auch via remote, durchzuführen.

Weitere Informationen zum Thema erweiterte Realitätswahrnehmung finden Sie auch unter LogiMAT 2017 (Trends) sowie unter Smart Data.

Bildquelle: OyundariZorigtbaatar / CC BY-SA 4.0

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