Die Materialflusssimulation hat ein breites Anwendungsspektrum in der Lagerlogistik. Sie wird als Werkzeug zur Optimierung und Prognose von Kennzahlen idealerweise in allen Phasen des Lebenszyklus eines logistischen Systems eingesetzt, sowohl in Vertrieb und Marketing, in Planungs- und Realisierungsphasen als auch im laufenden Betrieb. Die Einsatzfelder reichen dabei von der Simulation eines Teilbereichs der Produktion oder des Lagers mit dessen Lagerkennzahlen bis hin zum kompletten Liefernetzwerk.

Der Verein Deutscher Ingenieure VDI definiert Simulation als „das Nachbilden eines dynamischen Prozesses in einem System mit Hilfe eines experimentierfähigen Modells, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind“ [VDI-Richtlinie 3633 (2010)].

Das heißt, dass man ein Stück Realität im Rechner abbildet und damit Experimente durchführt, um Aussagen über das Verhalten des echten Systems treffen zu können.

Simulationsverfahren werden in den verschiedensten Bereichen eingesetzt, von der Wettervorhersage bis zur Flugsimulation. Bei der Darstellung von Unternehmensprozessen kommt die sogenannte Ablauf- bzw. Materialflusssimulation zum Einsatz. Diese Form der Simulation bezeichnet man auch als diskrete ereignisorientierte Simulation. Prinzipiell geht es darum, den Fluss von Stückgut durch einen Prozess mit definierten Zeiten abzubilden und damit beispielsweise Personenströme, Geschäftsprozesse oder Verkehrsabläufe zu simulieren.

Materialflusssimulation in Vertrieb und Marketing

Anlagenhersteller, Maschinenbauer oder Lagerlieferanten nutzen Simulation in der Vertriebsphase von Produktions- und Logistikanlagen, um dem Endkunden mögliche Lösungen schnell und realitätsnah vermitteln zu können und damit Vertrauen zu gewinnen.

Dabei wird kein detailliertes Simulationsmodell der Anlage erstellt, das bereits Durchsätze, Auslastungswerte oder Durchlaufzeiten ermitteln kann. Vielmehr soll mit einer einfach zu erstellenden, hochwertig animierten Visualisierung ein gemeinsames Verständnis des geplanten Prozesses erarbeitet werden.

Materialflusssimulation in der Planung

Mithilfe von Materialflusssimulation können neue Anlagen bereits vor Baubeginn auf Durchsatz, ausreichende Dimensionierungen, Durchlaufzeiten, Leistungsgrenzen, Störeinflüsse, Personalbedarf und auf sonstige Parameter hin überprüft werden. Außerdem ermöglicht es Simulation, verschiedene Planungsvarianten zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Dies hilft oft schon bei Grundsatzentscheidungen zu Beginn einer Planung.

Ein mit dem Detaillierungs- und Wissensstand der Planung wachsendes Simulationsmodell beschleunigt den Planungsprozess und unterstützt eine iterative Vorgehensweise bei der Lösungsfindung.

Zur Optimierung bestehender Anlagen werden diese im Ist-Zustand abgebildet und gezielte Modifikationen innerhalb des Modells vorgenommen. So kann z. B. der Einsatz einer anderen Steuerungsstrategie zu einem höheren Durchsatz führen. Diese Untersuchungen an der realen Anlage vorzunehmen würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und hohe Kosten verursachen. Änderungen am System können in der Planungsphase anhand des Simulationsmodells hingegen leicht und ohne Beeinflussung des laufenden Betriebs durchgeführt werden.

Materialflusssimulation in der Realisierung

Ein Simulationsmodell mit einer möglichst realitätsgetreuen Abbildung der IT-Struktur eines Systems dient bei der Steuerungsprogrammierung als Vorlage zur Erstellung der Anlagensteuerung. Die klassischen Steuerungsebenen sind zum einen SPS-Steuerungen, aber auch Materialflussrechner, Lagerverwaltungs– und ERP-Systeme.

Zudem kann das Modell zur virtuellen Inbetriebnahme von realen Steuerungen genutzt werden, da es bei entsprechendem Aufbau auf verschiedenen Steuerungsebenen mit dem realen System gekoppelt werden kann. Dabei wird die Steuerungslogik im Simulationsmodell durch die Steuerung von außen ersetzt. Eine Kopplung von Modell und realer Steuerung wird auch als Emulation bezeichnet.

Emulation ermöglicht es, die Anlagensteuerung bereits vor Fertigstellung der realen Anlage in Betrieb zu nehmen. Zudem kann die Steuerung auf Knopfdruck in den unterschiedlichsten Szenarien, z. B. unter hoher Systemlast oder in kritischen Situationen, getestet werden. Weiterhin können Fehlersituationen im Emulationsmodell beliebig reproduziert werden, da sich das Modell unter unveränderten Bedingungen immer gleich verhält.

Weitere Informationen erhalten Sie im Artikel “Supply Chain Simulation

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