Bei der gemeinsamen Planung der produktionssynchronen Abrufe (PAB) von kompletten Baugruppen und Komponenten eines OEM (Original Equipment Manufacturer) beispielsweise im Automotive Bereich und des Systemlieferanten (sog. 1st-Tier-Lieferanten) werden zeitlich rollierende Pläne nachfrageflexibel angepasst. Neben der Langfristplanung (größer als 1 Jahr) nutzt man in der mittel- und kurzfristigen Planung das Werkzeug “Zeittrichter”.

Logik von Planung und Zeit – der Zeittrichter

Je zeitferner der 1st-Tier-Lieferant vom eigentlichen Anlieferpunkt beim OEM entfernt ist, umso größer sind noch die Handlungsoptionen der Lieferkettenbeteiligten. So kann beispielsweise der OEM seine von der rollierenden Mittelfristplanung auf die Kurzfristplanung heruntergebrochenen georderten Arten, Varianten, Mengen der zuzuliefernden Komponenten umso weniger abändern, je kürzer die Zeitlinie bis zum „frozen point“ (sog. Einfrierpunkt) ist, an dem exakt in der richtigen Zeit und in der richtigen Reihenfolge (just-in-sequence) angeliefert wird. Die verbleibende Zeitlinie ist analytisch betrachtet eine Risiko- bzw. Unsicherheitsperiode. Wir sind somit immer weiter in den Trichter der Zeit (Zeittrichter) eingedrungen, bis wir endlich das Ende des Trichters, den Endtermin, erreichen. Die graphische Darstellung dieser Planungs- und Zeitlogik gleicht einem Trichter, daher auch der einprägsame Begriff.

Einfrierpunkte, Perlenketten und andere Ungetüme

Der „frozen point“ besagt, dass ab einem bestimmten – sehr zeitnahen – Punkt (z.B. 150 Minuten vor dem endgültigen Verbau der Komponente in das Endprodukt) keine produktionssynchronen Abrufänderungen mehr erlaubt sind. Mit Beginn dieser eingefrorenen Zone gibt es keine elementaren Änderungen der Anlieferpläne (Feinstabrufe). Man spricht von sequenzierten Anlieferungen von Komponenten durch den 1st-Tier in die getaktete Fließfertigung der „synchronen Fertigung“ des OEM. Einige Hersteller nennen diesen Zustand „Perlenkette“. Die Perlenkette ist die nunmehr starre Festlegung von Varianten am Band, die somit nicht mehr einzelne „Perlen“ geändert werden können.

Unsicherheiten in Pläne gießen

Auch wenn die produktionssynchronen und sequenzgerechten Abruf- und Anlieferpläne (nicht nur in der Automobilindustrie) mit atemberaubender Akribie von Spezialisten in Logistik & Supply Chain Management geplant und wie mit einem Millimeterpapier Zeit und Raum zugeordnet sind, sind Überraschungen nicht selten. Daher müssen die Unsicherheiten und Risiken in Pläne gegossen werden, in sogenannte Notfallpläne. Diese beinhalten klare Handlungsstrategien und –maßnahmen, was in welchem Notfall von wem zu managen ist. Notfälle im Zusammenhang mit der produktionssynchronen Anlieferung können beispielsweise Probleme beim Transport der Teile zum Endmontagewerk infolge von Unfall sein. Es kann sich aber ebenso um fehlerhafte Teile handeln, die trotz Six-Sigma am getakteten Fließband auffallen. Je zeitnäher das Problem auftaucht, umso schwieriger ist eine erfolgsuneinschränkende Lösung.

NIO-Teil – Was nun?

Für zahlrieche Notfälle gibt es eigene Notfallhandbücher mit Notfallplänen. So wird beispielsweise bei einem fehlerhaften Teil (Nicht-in-Ordnung-Teil = NIO) an der Produktionslinie der getaktete Fließfertigungsprozess nicht abgebrochen, sondern durch ein Back-Up-Teil oder durch einen Dummy-Teil ersetzt und das Produkt am Ende der Endmontage ausgeschleust, händisch zerlegt und wieder zusammengebaut. Dies ist in den meisten Fällen kostengünstiger, als ein kompletter – auch nur kurzzeitiger – Stopp des Bandes.

Die Welt bleibt überraschungsreich

Trotz immer besserer Prognosen, trotz kluger strategischer Ausrollung von Plänen, trotz aller mittel- und kurzfristigen operativen und taktischen Hochleistungsplanungen verbleibt genügend Platz für Handeln in Form von Improvisation – die „zittrige Hand“. Denn je mehr Hürden und Hindernisse sich Ihren Zielen in den Weg stellen, umso klarer und robuster müssen Ihre geplanten Ziele sein. Die Maßnahmen jedoch müssen das Überraschungsreiche unserer Lieferketten flexibel und wandelbar abfedern!

Weitere Informationen zur Planung im SCM finden Sie unter Komplexitätskosten – Zwei Seiten einer Medaille.

Bildquelle: © Judit Klein, Lizenz (CC BY-ND 2.0)