Im produzierenden Gewerbe und in der Industrie hat sich ein Versorgungskonzept namens Kanban (jap. für Karte bzw. Schild), erfunden und entwickelt von Taichi Ohno in den Toyota Werken der 50er Jahre, weltweit durchgesetzt. Das Kanban-Prinzip setzt, wie auch die Schwarmintelligenz, auf dezentrale Steuerung der Prozesse und Prozessketten. Analytisch betrachtet geht die Initialsteuerung vom Endkunden der Prozesskette aus, der durch das Pull-Prinzip letztlich – bei konsequenter Durchdringung der industriellen Produktionskette – die Produktion anstößt.

Jeder einzelne Prozessschritt wird von den jeweiligen Mitarbeitern in der Prozesskette genau dann verrichtet, wenn die jeweils nachgelagerte Stelle eine Materialanforderung stellt. Sobald die Materialanforderung mittels der Kanban-Karte initiiert wird, wird das vorgelagerte Glied der Prozesskette aufgefordert, das verbrauchte Teil wieder zu produzieren und bereitzustellen. Bei konsequenter dezentraler Steuerung und Nutzung des lokalen Wissens der jeweils Beteiligten der einzelnen Prozesschritte entsteht eine Resonanzwelle. Somit kann die klassische zentrale Steuerung entfallen, solange der Prozess kontinuierlich abläuft und relativ konstante und nicht-strukturbrüchige Anforderungen vorliegen. Die angesprochene Resonanzwelle ist in der Funktionsweise durchaus mit einem Domino vergleichbar.

Die neue Führungskraft steuert dezentral

Die Führungskraft eines Kanban-Teams hat nun „lediglich“ die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, und bei bestimmten – außerordentlichen – Problemen muss die Führungskraft als Troubleshooter der außertourlichen Probleme auftreten. Das geniale an dieser Steuerung besteht vor allem darin, dass das gesamte Kanban-Team

  • ausschließlich auf lokales Wissen rekuriert,
  • die Steuerung der gesamten Versorgungskette dezentral erfolgt,
  • die Steuerung letztlich selbstregulativ ist, sofern nicht außergewöhnliche Vorfälle den Prozessablauf stören,
  • wofür der Manager als Problemlöser auftritt,
  • sodass der Manager die Rolle des Moderators
  • als auch die Rolle des Coach für die Teammitglieder einnimmt.

Weitere Vorteile entstehen durch die dezentrale Steuerung und die Selbststeuerung in Kombination mit dem Pull-Prinzip, sodass erhebliche Bestände gegenüber klassischer zentraler Steuerung nach dem Push-Prinzip gesenkt werden können, dass Wartezeiten minimiert werden und dass das System typische Eigenschaften offener lebender Systeme aufweist, wie z.B. eine deutlich erhöhte Robustheit und Flexibilität gegenüber klassischer zentraler Steuerung. Niemand Einzelner muss über die gesamte Prozesskette Bescheid wissen. Es wird immer nur der offene Kanban-Behälter aufgefüllt an der jeweiligen lokalen Stelle. Nicht nur ein Großteil der Industrie hat zumindest für bestimmte Teilespektren die Versorgungssteuerung auf Kanban, das im Übrigen ja eine spezifische Form des Just-in-Time Prinzips ist, sondern auch Unternehmungen wie McDonalds, Burger King, Pizza Hut & Co arbeiten im Prinzip nach dem Kanban-Prinzip.

Selbstorganisation organisieren!“

Bei diesen selbstregulativen, selbstorganisierenden, dezentral gesteuerten, auf lokales Wissen abgestellten (kognitiv) einfachen Regeln, finden wir nicht nur alle Eigenschaften von Schwarmintelligenz vor, sondern auch einen guten Hinweis wie in schwarmintelligenten Systemen Führungskräfte ihre neue Rolle einnehmen sollten. Die Führungskraft hat zuallererst die Rahmenbedingungen zu setzen, dass überhaupt eine solche Prozesskette funktionieren kann. Das ist die eine große Herausforderung, die also in der Konzeption liegt. Aber auch die Konzeption einer solchen Resonanzwelle erfordert nicht selten die Nutzung der Weisheit der Vielen. Die zweite große Herausforderung besteht in der neuen Rollenfindung des Managers. Diese liegt nicht mehr in inhaltlichen konkreten Ausführungen, sondern in der Führung des Teams. Die Führungskraft als Teammanager, vergleichbar mit einem Fußballtrainer, der ja nicht selbst mitspielt, sondern vor allem als Moderator, Motivator, Coach, Koordinator und Konfliktmanager oder als Trouble Shooter auftritt und die externen Grenzen des Teams schützt und den Teamprozess fördert. Der Manager sorgt somit für eine Balancierung der Abläufe.

Somit sind die neuen Rollen des Managers in schwarmintelligenten dezentral gesteuerten Systemen klar abgesteckt. Bemerkenswert an solchen selbstgesteuerten, selbstorganisierenden Teams mit all den notwendigen Elementen des Systems (Just-in-Time, Dezentralität, lokales Wissen, Pull-Prinzip, Lean Management, kognitiv einfach verarbeitbare Regeln, Visualisierung der Regeln etc.) besteht in der gegenseitigen Bedingtheit der einzelnen Elemente des Systems (Niklas Luhmann). Letztlich müssen wir als Führungskräfte lernen „Selbstorganisation zu organisieren“.

Weitere Informationen finden Sie in dem Beitrag Logistikmanagement und Schwarmintelligenz – Führen durch Ergebniserwartung.

Bildquelle: Stux, Lizenz Creative Commons CC0.

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