Filialbelieferung und direkte Kundenbelieferung haben ihre ganz eigenen Anforderungen. Diese Dualität muss auch durch die Intralogistik abgebildet werden. Ein neues, großes Distributionszentrum sollte jetzt die sechs bisherigen Standorte des Fashion-Unternehmens Breuninger in sich konsolidieren. Neben der Planung der Förder- und Lagertechnik galt es, am Markt die geeignete Software für die sehr komplexen Prozesse in der Lagerverwaltung und Steuerung zu finden. Denn feststeht, Konsum hat heutzutage zwei Seiten – eine analoge und eine digitale.

Die Ausgangslage des Projekts

Breuninger hat Tradition. Seit jeher setzt das Fashion- und Lifestyle-Unternehmen auf das Prinzip „Department Store“ und prägt so manche Innenstadt. Deutschlandweit betreibt das Unternehmen ein Dutzend Premium-Warenhäuser, angeführt vom Flagship-Store in Stuttgart. Auch im E-Commerce sind die Stuttgarter schon länger aktiv. Spätestens im Jahr 2020, in dem der Onlinehandel ungeahnte Höhen erreichte, zeigte sich die Weisheit dieses Schrittes.

Bisher löste Breuninger die Filialanlieferung und die direkte Kundenbelieferung puristisch: In sechs Logistikstandorten mit expliziter Ausrichtung wurde entweder die eine oder die andere Variante bearbeitet. Doch die räumliche Trennung zog viel Warenverkehr zwischen den Lagern nach sich. Um diese aufwendigen Transaktionen zu reduzieren, entschloss sich Breuninger, von der bisherigen Strategie abzurücken. Ein neues, großes Distributionszentrum in Sachsenheim sollte die sechs bisherigen Standorte in sich zusammenfassen. Beide Liefervarianten sollten unter dem Dach eines prozessoptimierten Multi-Channel-Lagers abgewickelt werden. Das Stuttgarter Traditionsunternehmen stand vor einer großen Herausforderung. Neben der Planung der Förder- und Lagertechnik für automatisierte Abläufe galt es, am Markt die geeignete Software für die sehr komplexen Prozesse in der Lagerverwaltung und Steuerung zu finden. Aufgrund der anspruchsvollen, individuellen Abläufe kam nur eine modulare, adaptive und auf Breuninger zugeschnittene Software in Frage. In einem intensiven Auswahlprozess wusste TUP von sich zu überzeugen.

Blick auf mehrere Arbeitsstationen des Warendistributionszentrums (WDZ)
Blick auf die Arbeitsstationen im WDZ.

Wie war der Projektverlauf und welche Lösungen kamen zum Einsatz?

Das Projekt begann seitens Breuninger im Jahr 2015 und war von vorneherein auf fünf Jahre angesetzt. Im Februar 2019 wurde das Gebäude mit circa 76.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche übergeben, das Lager trotz Einschränkungen durch Corona im Juni 2020 planmäßig mit Go-live in Betrieb genommen. Dank der modularen Arbeitsweise von TUP konnte das Lager bereits zuvor intensiv getestet werden – während zugleich noch entwickelt wurde. TUP war mit der Lieferung und Implementierung des speziell zugeschnittenen Warehouse-Management-Systems „TUP.WMS“ beauftragt. Die Lagerverwaltung deckt dabei die gesamte Auftragsabwicklung beider Versandkanäle, von Wareneingang (WE) bis Warenausgang (WA), ab. Das Distributionszentrum verfügt mit Liege- und Hängewarefördertechnik, Fahrerlosen Transportfahrzeugen, automatischem Kleinteilelager und automatischen Behälterstaplern im WA über umfassende Automatisierungstechnik.

Was war eine zentrale Anforderung an die TUP-Lösungen

Oberstes Gebot für das WMS war die Optimierung der Durchlaufzeiten. Denn sowohl die Effizienz am Point of Sale (POS), als auch die positive Kundenerfahrung sind Wettbewerbsvorteile. Die Integration der beiden Absatzmärkte lässt sich mit einer Weggabelung vergleichen. Da die Warenbearbeitung genauso in Prozess und Software ausgestaltet werden muss, sogar besser, etwas offener, mit einer Drei-Wege-Kreuzung: Ein Weg führt in das Lager, zwei hinaus. Die Aufbereitung für die Verkaufsfläche der Breuninger-Häuser findet bereits im Logistikzentrum statt. Bestellungen werden spätestens am Folgetag verschickt. Die schnelle Handlungsfähigkeit stellt auch die punktgenaue Versorgung der Warenhäuser mit geplanten Waren sicher.

Arbeitsbereich mit TUP-Software im Breuninger WDZ
Einweisung an einer Arbeitsstation zu einer TUP-Lösung.

Vor dem Hintergrund des Onlinehandels führte TUP nicht nur einen neuen Retourenprozess ein, sondern nutzt diesen auch, um Breuningers Lagerhaltung zu verschlanken und dessen E-Commerce-Fulfillment zu beschleunigen. Mit Aufnahme in den Bestand prüft „TUP.WMS“, ob das Warenstück Element eines wartenden Kundenauftrags ist. Rückläufer können umgehend wieder auf den Weg gebracht werden. Mit der verkürzten Auftragszuführung wurde auch die Auftragsverwaltung verfeinert. Aufträge werden verstärkt über Prioritäten gesteuert, Kunden, die schon länger warten, nun bevorzugt behandelt.

Was waren die Besonderheiten des Projekts?

Bei der Ausgestaltung der effizienten Ereignisketten lag vor allem auch die Benutzerführung im Fokus. Ziel war es, die Abläufe und Anweisungen Mitarbeitern jeder Erfahrungsstufe unmittelbar zugänglich zu machen, um so die erforderliche Produktivität und Qualität durch den Bearbeiter dauerhart sicherzustellen. Realisiert wird diese Anforderung seitens TUP durch unterstützende Packdialoge. Kommissionierer, Packer und die Retourenannahme erhalten durchgängig visuelle Hilfestellung durch Produktbilder, sodass Produkte direkt abgeglichen werden.

Mehrsprachiges Willkommensschild im Breuninger WDZ
Gäste und Mitarbeiter werden im Eingangsbereich des Warendistributionszentrums (WDZ) willkommen geheißen.

Im Bereich der intensiven Stationäraufbereitung unterstützt das System neben detaillierten Materialübersichten darüber hinaus mit konkreten Anleitungen zur Aufbereitung. Was bisher nur über nicht direkt verfügbare Dokumentation oder die Erfahrung altgedienter Mitarbeiter lief, kann nun anhand von direkt angezeigten Anleitungen auch durch weniger routiniertes Personal erfolgen:

  • Wie bei einzelnen Produkten die Sicherung anzubringen ist.
  • Welche Sicherung das sein soll.
  • Welche Art Kleiderbügel das Produkt haben soll, was sich mitunter auch pro Filiale unterscheidet.

All dies wird passend für jeweilige Filiale in hohem Detailgrad abgebildet. Breuninger profitiert somit von weitaus flexibleren Einteilungsmöglichkeiten im Personalbereich sowie substanzieller Zeitersparnis.

Der Ausblick

Mit dem Warendienstleistungszentrum, kurz WDZ, positioniert sich Breuninger Sachsenheim auf herausragende Weise in der Lagerlandschaft Europas.

Zum einen vereint der Standort über die Bereiche Warenbearbeitung, Versorgung des stationären Handels und Onlineversand auch noch weitere Geschäftsbereiche wie Content Production (inkl. Foto- und Texterstudio), Breuninger Confiserie, Lieferantenretoure, Verwaltung sowie eine Mitarbeiter-Kantine in sich.

Zum anderen kann das neue Lagerhaus des Vollsortimenters mit der Ausrichtung auf Erfüllung eines Multi-Channel-Ansatzes als Leuchtturmprojekt bezeichnet werden. Mithilfe der allein für die Zwecke der Stuttgarter angefertigten Software befähigt TUP das Fashion- und Lifestyle-Unternehmen, neben der Versorgung der einzelnen stationären Warenhäuser in Deutschland auch den Onlineversand über ein einzelnes Logistikzentrum abzuwickeln. Breuninger ist damit bestens auf die An- und Herausforderungen des volatilen Marktes vorbereitet. Die Zukunft kann kommen.

Dieser Bericht erschien ursprünglich in der Ausgabe 03/22 der Fachzeitschrift “Technische Logistik und steht als PDF-Download zur Verfügung.

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