Wenn die Zugvögel Mitteleuropas aus Nordafrika, Süditalien oder Spanien im Frühjahr zurückkehren und im Herbst wieder aufbrechen, brauchen diese eine möglichst genaue (korrekte) Richtung. Die Vögel schließen sich zu Schwärmen zusammen, um die Vorteile des Schwarms zu lukrieren. Dieser liegt nicht nur in energetischen Vorteilen, weil sie sich immer wieder an der Front abwechseln.

So konnten Wissenschaftler errechnen, dass die energetischen Vorteile bei bis zu 20 % pro Einzelmitglied durch das Windschattenfliegen liegen können. Das Ganze kennen wir aber auch aus manchen Teamsportarten, wie dem Mannschaftsfahren beim Radfahren.                      

Vorteil des Schwarms: Einzelne Fehler gleichen sich in der Summe aus

Aber ein weiterer wesentlicher Vorteil des Schwarms ist weniger bekannt: Jeder Vogel hat beim Abflug eine individuelle (bestimmte) Richtung. Die einzelnen individuellen Ausrichtungsfehler gleichen sich jedoch in der Summe (im Schwarm) aus, und es entsteht eine möglichst korrekte Richtung. Wenn sich jeder einzelne Vogel an seinen Nachbarn hält (lokales Nachbarschaftsverhalten), dann mitteln sich die einzelnen individuellen Fehler aus. Der kollektive Fehler ist daher erheblich kleiner als der Einzelfehler der Individuen. Das heißt, umso größer der Schwarm desto höher die Navigationsgenauigkeit. Manche reduzieren dies – zu Unrecht – auf das Gesetz der großen Zahlen. Je größer die Zahlen, umso kleiner der Variationskoeffizient (also die relative Abweichung vom Mittelwert).

Schwarmintelligenz schlägt Individuum

Das Ganze kennen wir aus vielen weiteren Experimenten und Praxisfällen der Schwarmforschung und des Teambuildings. Denken Sie nur an das Beispiel mit der Schätzung des korrekten Gewichts eines ausgeweideten Ochsen oder an das Jelly-Bean Experiment, bei dem eine große Anzahl von Teilnehmern die Anzahl der in einem gläsernen Gefäß befindlichen großen Anzahl von „Bonbons“ schätzen sollte.

Die einzelnen Schätzungen weichen teilweise extrem weit voneinander ab. Einzelne Schätzungen sind skurril weit vom wahren Wert entfernt und dennoch, in der Verdichtung (Aggregation) aller Einzelschätzungen mitteln sich die Fehler unterhalb und oberhalb des tatsächlichen Wertes aus. Oder denken Sie an die Sendung „Wer wird Millionär“ (Deutschland) bzw. „Millionenshow“ (Österreich), bei der – so die einschlägigen Auswertungen, die befragten Zuschauer (also mit Sicherheit keine Experten) auf eine langjährige durchschnittliche Erfolgsquote von 91 % kommen und die befragten Experten (Telefonjoker) lediglich eine Erfolgsquote von 60 % aufweisen. Das ist schon überraschend. Aber auch nur so lange, soweit wir uns die Intelligenz der Vielen, die Schwarmintelligenz, nur schwer vorstellen können. Das Unglaubliche ist, dass auch Zugvögel sich des „Publikums“ bedienen, um eine möglichst genaue Richtung in den Süden zu „schätzen“. Die einzelnen Fehler der Einzelindividuen mitteln sich aus.

Das Logistik-Management kann sich diese Erkenntnisse zu Nutze machen

Für das Logistik-Management und für das Management im Allgemeinen heißt das: Hat man es mit weit verstreuten Problemen zu tun (z.B. Auffinden der Ursachen hoher Inventurdifferenzen, Aufsuchen möglicher Gründe für eine zu hohe Durchlaufzeit von logistischen Prozessen in Fertigung, Lager oder Transport usw.) und muss man auf das konkrete Vorort-Wissen Einzelner abstellen, um die Ursachen von Problemen (Problemstellungen) zu finden, handelt es sich also um typische Probleme und Problemstellungen, die kollektiv besser gelöst werden können als durch individuelle Leistungen – auch möglicherweise individuelle Spitzenleistungen – dann ist die Verdichtung (Aggregation) vieler diverser Einzelmeinungen effektiver.

Mehr zu Schwarmintelligenz finden Sie in dem Beitrag “Wie kann Schwarmintelligenz funktionieren?“.

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