Der Begriff Rundgangsbildung beschreibt im Hinblick auf die Lagerverwaltung beziehungsweise einem Warehouse-Management-System (WMS) die Zusammenfassung von Pickpositionen zum Aufgabenumfang eines Kommissionierers. In Lager- und Kommissionier-Systemen trägt eine optimale Rundgangsbildung einen wichtigen Teil dazu bei, den Personalbedarf zu minimieren und die Zeit vom Auftragseingang bis zum Versand (siehe auch Cut-off-Zeit)so gering wie möglich zu halten. Gerade bei modernen Distributionszentren mit sehr hoher Artikeldurchsatzzahl (teilweise über 100.000 Positionen am Tag) und regelmäßig wechselndem Sortiment kommt es darauf an, die Durchlaufzeiten so kurz wie möglich zu halten, um mehr Aufträge bearbeiten und so höhere Umsätze erzielen zu können. Die große Anzahl der Kundenaufträge pro Tag und die Vielzahl von Pickpositionen jedes einzelnen Auftrags erfordern es, den Kommissionier-Vorgang mit Software zu unterstützen.
Rundgangsbildung: Minimierung der Pickwege vs. Minimierung der Durchlaufzeiten
Die Minimierung der Pickwege – durch eine Maximierung des Rundgangumfangs – dient dem Ziel, den Personaleinsatz gering zu halten. Diese Vorgabe widerspricht allerdings dem anderen Ziel, die Durchlaufzeiten eines Auftrags möglichst kurz zu halten. In den vergangenen Jahren hat sich der Schwerpunkt zwar immer mehr zur Minimierung der Durchlaufzeiten verschoben; die Kunst besteht allerdings nach wie vor darin, beide Kriterien auf optimale Weise zu vereinen. Dies setzt eine entsprechende Infrastruktur voraus, genauso wie eine effiziente Fördertechnik und Software samt Datenbanken.
Rundgangsbildung früher und heute
Bei der heute überwiegend eingesetzten zweistufigen Kommissionierung werden zwei Prozesse getrennt voneinander abgewickelt: Die Entnahme (= das Kommissionieren) einerseits und die Zusammenstellung von Kundenaufträgen (= das Konsolidieren) andererseits. Damit ein Lagerfach im Lager möglichst nur einmal angelaufen werden muss, wird in der Regel die gesamte Menge eines mehrfach bestellten Artikels bei einem Kommissionier-Lauf gleichzeitig gepickt, und das für mehrere Aufträge. Zur Verdeutlichung: Früher wurde jeder Kundenauftrag einzeln abgearbeitet, einer nach dem anderen. So musste ein Mitarbeiter für einen einzigen Auftrag gegebenenfalls durch das gesamte Lager laufen, so lange Strecken zurücklegen und eine Lagereinheit für andere Aufträge gegebenenfalls mehrmals ansteuern. Der Kommissionier-Lauf wurde dabei beispielsweise so vorgegeben, dass die entsprechenden Einheiten nach aufsteigenden Lagerkoordinaten abgelaufen wurden. Spätestens bei Lagern über mehrere Etagen mit mehreren 10.000 Quadratmetern war das Prinzip ‚Ein Mann, ein Auftrag‘ nicht mehr praktikabel.
Eine solche Vorgehensweise gilt schon seit den achtziger Jahren als veraltet. Stattdessen wird heutzutage eine softwaregestützte Rundgangsbildung praktiziert, die auf Grundlage mathematischer Berechnungen den optimalen Kommissionier-Lauf vorgibt. Das Ergebnis der Kommissionier-Rundgänge – ein noch unsortierter Pool gepickter Artikel – bildet dann den Input für die Sortierung beziehungsweise zweite Kommissionier-Stufe. Diese Sortierleistung wird entweder automatisiert durch Sortier- und Verteilanlagen, sogenannter Sorter, vollzogen oder manuell von Menschen erledigt (Manuelle Sortier-Kommissionierung).
Hinweis: Die Rundgangsbildung stellt dabei lediglich einen Schritt im gesamten Auftragsdurchlauf dar; weitere Prozessschritte sind Versandeinheitenbildung (siehe auch Versandeinheit), Disposition und Nachschub, Batchbildung, Konsolidierung beziehungsweise Sortierung, Packen.
Rundgangstypen
Bei der Bildung von Rundgängen kann das gesamte Artikel- und Auftragsspektrum selten mit einem einheitlichen Rundgangstyp gepickt werden. Es kann zum Beispiel erforderlich sein, bestimmte Picks zu priorisieren (beispielsweise die sogenannten Nachpicks) oder es müssen bestimmte Artikel zu spezifischen Packplätzen gesteuert werden (wegen spezieller Verpackung, Etikettierung oder anderen Mehrwertdiensten – siehe auch Konfektionierung). Je nach Restriktionen gilt es also mehrere Rundgangstypen zu unterscheiden.
Statische versus dynamische Verfahren
Die Maximierung des Rundgangumfangs stößt bei dem bisher beschriebenen statischen Verfahren der Batch- und Rundgangsbildung an die Grenzen der physischen Kapazität eines Kommissionier-Wagens oder ähnlichen Hilfsmittels. Meist werden die gepickten Artikel in Behältern gesammelt, die nach Rundgangsende auf die Fördertechnik aufgegeben werden; bei der Rundgangsbildung sind also die Pickpositionen auch einer begrenzten Anzahl von Behältern logisch zuzuordnen.
Bei diesen statischen Verfahren zur Rundgangsbildung wird der gesamte Ablauf im Voraus geplant. Dies steht einer möglichst schnellen Reaktion entgegen, da neu eingehende Aufträge nicht mehr in bereits gebildete Batches integriert werden können. Deshalb kommen heutzutage immer häufiger Verfahren der dynamischen Rundgangsbildung zum Einsatz: Dort können einem laufenden Pickrundgang jederzeit neue Positionen hinzugefügt werden und der Picker bestimmt selbst, wann ein Behälter voll ist und übergibt diesen dann im Vorbeigehen an der Fördertechnik. Der Kommissionierer nimmt nach der Übergabe einen neuen Leerbehälter auf. Letztendlich handelt es sich um ‚endlose‘ Rundgänge, die neben dem Vorteil der größeren zeitlichen Flexibilität auch die Grenze der physischen Kapazität eines Kommissionier-Wagens aufheben. Dies führt dazu, dass permanent ausreichend befüllte Behälter an die Fördertechnik übergeben und gleichzeitig Pickpositionen ohne Vorlauf in die bereits gestarteten Kommissionier-Rundgänge eingeschleust werden können – mit diesen dynamischen Rundgängen kann bei Eingang eines besonders wichtigen Auftrags (Eilauftrag) dieser ohne Rücksicht auf einen laufenden Batch zeitnah gepickt werden.
Dieses Verfahren setzt zwingend passende Prozesse und Technik nach dem Kommissionieren voraus, die ohne Unterstützung durch individuelle, adaptive Algorithmen nicht umsetzbar sind. Insbesondere ist das Zusammenspiel zwischen mehreren Kommissionierern zu berücksichtigen, die sich, wenn möglich, auf ihren Kommissionier-Wegen nicht gegenseitig behindern sollten. Das Resultat ist dann die geforderte Optimierung sowohl der Wege als auch der Durchlaufzeiten, indem die beiden (eigentlich widersprüchlichen) Zielkriterien vereint werden.
Zusammenfassung Rundgangsbildung
Rundgangsbildung beschreibt die Zusammenfassung von Pickpositionen zu Rundgängen in Versandbetrieben oder -prozessen. Ging es bei der Bildung eines Rundgangs früher primär um die Optimierung der Wege, dominiert heutzutage die Verkürzung der Durchlaufzeiten. Einerseits gibt es diesbezüglich statische Verfahren und andererseits dynamische. Für schnelle Reaktionszeiten und einen reibungslosen Ablauf sorgt eine entsprechende Software, die in der Regel in der Lagerverwaltung (WMS) implementiert ist. Im Zusammenspiel mit der Infrastruktur und vorhandener Technik können Wege und Durchlaufzeiten optimiert werden.
Weitere Informationen zum Thema Lagerverwaltung und die implementierte Rundgangsbildung finden Sie unter Bestandsverwaltung und Kommissionier-Zeit / Kommissionier-Wegzeit.
Bilder: TUP
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