Bei der Betrachtung der Funktionen eines Lagers steht der Zweck der Lagerung im Vordergrund. Die Definition setzt sich aus den Unterpunkten Sicherungs- und Bereitstellungsfunktion, aus der Ausgleichsfunktion, aus der Produktionsfunktion sowie aus der Spekulationsfunktion zusammen. Zudem haben sich mit der Zeit Sonderfunktionen wie die Umweltfunktion entwickelt.
Wichtig: Die Funktionen des Lagers sind nicht zu verwechseln mit den Lagerfunktionen beziehungsweise den einzelnen Lagerprozessen (Wareneingang, Warenausgang, Packerei) eines Warehouse-Management-Systems.
Aus der jeweiligen Lagerfunktion ergibt sich die Bezeichnung des zugehörigen Lagers; beispielsweise Produktionslager, Distributionslager (-zentrum), Beschaffungslager (Rohmaterial).
Da die Funktionen des Lagers für die verschiedenen Lagerarten ähnliche Abläufe beschreiben, werden im Folgenden die Lagerarten Produktion und Distribution behandelt. Die einzelnen hier aufgeführten Funktionen sind allerdings häufig auch auf andere Arten von Vorratslager anwendbar.
Die grob granulierten Funktionen des Lagers beantworten im Allgemeinen zwei entscheidende Fragen der Lagerhaltung:
- Wie wird ein Gut gelagert?
- Warum wird ein Gut gelagert?
Beide Fragen zielen darauf ab, die hohe Kapitalbindung mit Hilfe der jeweiligen Funktion zu kompensieren und die Vorratshaltung eines Unternehmens (Lagerung) weit im Voraus planen zu können. Die Herausforderung dabei: Der Lagerbestand ist, wie oben beschrieben, die kritische Größe der Lagerhaltungskosten (Kapital, Lagerplatz). Da der Betreiber eines Lagers aus wirtschaftlichen Gründen möglichst niedrige Bestände anstrebt, stehen die einzelnen Funktionen oftmals in Konflikt zueinander (1). Ursachen sind die Forderungen nach:
- hohe Terminzuverlässigkeit (Cut-off-Zeit)
- Liefertreue
- hoher Servicegrad
- niedriger Einkaufspreis
- kurze Auftragsdurchlaufzeiten
- hohe Flexibilität
- hohe Verfügbarkeit
- hohe Auslastung
- hohe Produktivität
Folgende Funktionen des Lagers werden unterschieden:
Bereitstellungsfunktion
In der Produktion: Über die Bereitstellungsfunktion wird die Materialversorgung für die laufende Produktion garantiert. Sie gleicht die Zeit aus zwischen der Lieferung von Materialien und dem tatsächlichen Bedarf in der Produktion. So wird das Material für den Folgeauftrag erst dann bereitgestellt, wenn der dafür vorgesehene Platz zur Verfügung steht oder das Material direkt verarbeitet werden kann. Für den reibungslosen Ablauf kann etwa das Kanban-System genutzt werden. Die Bereitstellung von Material, zum Beispiel für Schweißarbeiten, erfolgt direkt an der Produktionslinie. In Zeiten von Just-in-Time spricht man auch von der Ausgleichfunktion.
Sicherungsfunktion
In der Produktion: Die Sicherungsfunktion sichert die Lieferfähigkeit von Material an die unterschiedlichen Produktionsstufen. Hier greift die Produktion auf ein Zwischenlager zu, welches bei Störungen (Lieferengpässe, Streiks beim Lieferanten) zur Verfügung steht. Dabei liegt das Material allerdings in größeren Mengen vor und wird nicht direkt in kleinen Mengen an der Produktionslinie gelagert.
In der Distribution: Die Sicherungsfunktion sichert die Lieferfähigkeit an den Kunden sowie an den Händler und sorgt grundsätzlich für einen ausreichenden Lagerbestand bestimmter Güter. Schnelldreher und saisonbedingte Artikel werden in der Regel als Vorratshaltung in großer Zahl gelagert, um einem hohen Bestellaufkommen gerecht zu werden. Andererseits werden über die Sicherungsfunktion auch unvorhersehbare Schwankungen in der Nachfrage (Bullwhip-Effekt) und andere Störfaktoren (Streik) berücksichtigt und aufgefangen.
Spekulationsfunktion
In der Distribution, Produktion: Sie ist gefragt, wenn etwa bei Gütern langfristig mit steigenden Kosten zu rechnen ist. Güter werden dann meist in großen Mengen gekauft, auch um Mengenrabatte oder Sonderpreise zum eigenen Vorteil zu nutzen.
In der Distribution: Zudem werden Güter oder auch Materialien günstig eingekauft und hochpreisig wiederverkauft. Produkte können dabei gefragte Elektronikgeräte oder Materialen für die Produktion (Metall, Papier) sein.
Aber auch im Mineralölsektor ist die Spekulationsfunktion von Bedeutung. Unternehmen kaufen Rohöl zu günstigen Konditionen und spekulieren darauf es mit Gewinn verkaufen zu können.
Veredelungsfunktion
In der Produktion: Die Veredelungsfunktion bezeichnet die Entfaltung der Qualität von Waren durch eine zeitlich gestreckte Lagerung – direkt im Anschluss an den Herstellungsprozess. Sie wird zum Beispiel bei Wein oder Käse angewendet. Ein weiteres Beispiel ist die Herstellung von Whisky. Erst in bestimmten Fässern gelagert, bekommt der Whisky nach Jahren der Reifung den gewünschten und vollendeten Geschmack.
Unter die Veredlungsfunktion fallen auch Trocknungsprozesse, die etwa bei der Lagerung von Holz zum Tragen kommen.
In der Distribution: In Distributionszentren ist es üblich, zusätzliche Veredelungsservices anzubieten. Dazu gehört auch die Weiterverarbeitung von gelagerten Produkten, ohne an ihnen wesentliche Umgestaltungen zu vollziehen. Bei der sogenannten Veredelung in der Distribution geht es daher um eine wertsteigernde oder technische Weiterbearbeitung. Das können eine spezielle Etikettierung (technisch) oder eine besondere Verpackung sein.
Sonderfall der Veredelung: Die sogenannte Umformungsfunktion übernimmt eine produktionswirtschaftliche Aufgabe. Materialien, die sich in einem noch nicht verwendungsfähigen Zustand befinden, werden in einen verwendungsfähigen Zustand umfunktioniert beziehungsweise zusammengebaut.
Darbietungsfunktion
In der Distribution: Die Darbietungsfunktion wird vor allem im Einzelhandel genutzt. Dem Kunden wird die Ware direkt im Verkaufslager präsentiert und angeboten. Die Entnahmebuchung erfolgt anschließend an der Kasse. Ikea beispielsweise bietet neben seinen Showrooms ausschließlich den Verkauf über ein Verkaufslager an.
Entsorgungsfunktion/Umweltfunktion
Im Rahmen von Rücknahmeverpflichtungen (zum Beispiel Pfandverpackungen) übernimmt das Lager eine so genannte Umweltschutzfunktion. So wird etwa die Verantwortung für die Entsorgung von Müll, Leergut und möglichen Produktionsresten von den jeweiligen Kommunen auf die Wirtschaft beziehungsweise Unternehmen übertragen. Gleiches gilt auch für die Rücknahme von Altbatterien. Die einzelnen Regelungen für die Entsorgung sind im Verpackungsgesetz von 2019 geregelt.
Hintergrund: Seit dem 24. Juli sind alle großen Warenhäuser und Online-Händler, wie auch beispielsweise Amazon, verpflichtet, alte Elektrogeräte mit einer Kantenlänge von bis zu 25 Zentimeter und auch größere, wenn gleichzeitig ein vergleichbares Produkt gekauft wird, gratis und ohne Kassenbeleg zurücknehmen. Die Regelung gilt für Händler mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche. Betroffene Händler kooperieren in der Regel mit Gemeinden (Wertstoffhof) oder direkt mit den Marken.
Grund: 2014 wurden laut “the Verge” weltweit umgerechnet 46 Milliarden Kilogramm Elektromüll erfasst. Das entspricht dem Gewicht von 126 Empire State Buildings. Allein in den USA wurden im selben Jahr 25 Kilogramm E-Schrott pro Kopf verzeichnet. (Link The Verge)
Zu der Umweltfunktion gehört auch das Lagern und Entsorgen von Gefahrgut (Munition, Brennstoffe).
Zusammengefasst
Die Funktionen des Lagers sind nicht zu verwechseln mit den einzelnen Prozessen eines WMS. Sie sind eher eine grobe Übersicht, eine ungenaue Spezifikation für die wirtschaftliche Ausrichtung eines Lagers.
(1) Heinrich Martin, Transport und Lagerlogistik – Lagerhaltung, Lagerbestand, Seite 331
Weitere Informationen zum Thema lesen Sie in den Artikeln Bestandsverwaltung und Rückwärtslogistik.
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